Donnerstag, 10. Dezember 2009

Extended coffee oder: das längste erste Date, like, ever.

Ich stehe im Regen, ohne Regenschirm, umgeben von Menschen mit Regenschirmen, und warte und versuche der vorbeieilenden Menschenmasse ein vertrautes Gesicht abzuringen. Der Geschäftsmann neben mir kämpft mit i-Phone, Zeitung und Aktentasche. Die Minuten verstreichen. Von meiner Nasenspitze tropft es. Ich kann förmlich fühlen, wie mir die Wimperntusche über die Wangen läuft. "Attraktiv", denke ich so bei mir. Und dann: "Telefon." Der Geschäftmann hat seine Zeitung fallengelassen und hält sich stattdessen die Aktentasche über den Kopf. Ich wähle mit nassen Fingern die mir noch nicht vertraute Nummer. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite zieht jemand sein Mobiltelefon aus der Tasche. "Getting rained on?" Ich kann ihn lächeln hören. Londoner Akzent. Angenehme Tonlage. "Ich glaube, ich kann dich sehen." sage ich. Die Gestalt auf der anderen Straßenseite dreht sich um. Ich hebe langsam die Hand.

Im Pub ist es dunkel und heiß, feucht-dampfende Regenjacken so weit das Auge reicht. "Drei Monate." er schaut mich an und schüttelt amüsiert den Kopf. "Ich weiß." sage ich und schäme mich ein bißchen. Drei Monate seit wir uns auf einer Party kennengelernt haben. Fünf Stunden hatten wir uns damals unterhalten. Ohne Punkt, Komma oder Pause. Am Ende hatte er mir seine Nummer in die Hand gedrückt und ich hatte mir fest vorgenommen, anzurufen. Dann kam die Arbeit. Und der Stress. Der Zettel mit der Nummer hing einsam und lappig an der Pinwand, umgeben von Pizzalieferantenbooklets und Stromrechnungen. Die Zeit verging. Ich kam mir dämlicher und dämlicher vor. "Du wirst es bitter bereuen - bitter!" sagte die N. und auch die S. und überhaupt jeder, der dazu eine Meinung hatte. "Wie wahr." denke ich. "Noch ein Bier?" "Absolut." sage ich. Die Barfrau grinst mich über die Theke hinweg an und formt lautlos Worte mit den Lippen. "Erstes Date?" Ich muß grinsen. Nicke. "He's cute." Indeed.

Später spazieren wir über die South Bank. Ein einsamer Saxofonist steht an der Treppe und spielt samtweiche Tonleitern. Leicht betüdelt von zuviel Bier und zuwenig Nahrung umrunden wir die Alleebäume. In den Pfützen auf dem Kai spiegelt sich die Weihnachtsbeleuchtung.

Den ganzen Abend über berühren wir uns nur flüchtig, ohne Absicht. Hin und wieder berühren sich unsere Hände. Irgendwann strubble ich ihm durch die Haare - das macht man ja nun mal so, wenn man über Friseure redet - und er lässt es ohne Widerstand zu, hebt nicht mal die Hand, um die Frisur, die sowieso keine ist, wieder in Ordnung zu bringen. Wir sehen uns an. Neben uns fällt krachend ein Barhocker um. Der Bartender räumt Gläser ins Regal.

In seiner Wohnung herrscht Chaos. Überall Bretter, halb abgezogene Türen, ein Weihnachtsbaum. "Kacke, ich glaub der Eimer ist undicht." sagt er. Tatsächlich fliesst ein munteres Rinnsal vom Baum quer durch die Küche zur Abwasch. Im Schlafzimmer sind Werkzeug, Kameraausrüstung und Sägespäne gleichmäßig über den Fußboden verteilt. "Zumindest kann dir keiner vorwerfen, du hättest von vorneherein geplant, mich mit nach Hause zu nehmen." Er lacht. "So ein Saustall. Peinlich, aber echt." Er schiebt mit dem Fuß eine Säge zur Seite. "Und ich hab nicht mal eine Bettdecke."

//Fortsetzung folgt

N. (Gast) - 2009/12/11 13:46

N. grinst und freut sich, dass N. recht hatte...

quietplease - 2009/12/12 11:25

merci beaucoup pour le konstantes schäuferl nachlegen, ma chère. what would I do without you?
N. (Gast) - 2009/12/13 13:56

pfff. schäuferl nachlegen... ich muss mich halt selbst beweihräuchern, sonst tuts ja niemand und das ego will gestreichelt werden. was du ohne mich tun würdest? du wärst im regen gestanden und hättest auf den kerl gewartet und dann ein schönes langes date gehabt. du bist ja nicht doof. (schräges wort: hund. wuff!)

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